Seiten

Sonntag, 11. April 2021

Das Versagen der Corona-Verwalter. Deutschland erstickt an seiner Bürokratie

 Das Versagen der Corona-Verwalter: Deutschland erstickt an seiner Bürokratie (NZZ)

Der Versuch, alles bis ins Kleinste mit Vorschriften zu regeln, lähmt das Land schon seit langem. In der Pandemie zeigt sich nun auch die zerstörerische Kraft der deutschen Regulierungswut.

Der eigentliche Grund für das deutsche Scheitern in der Krise ist eine Eigenart, die alle politischen Ebenen des Landes durchdringt, und das schon lange: Es ist die Lust an der Bürokratie. Vor der Pandemie war sie vor allem im Ausland ein Anlass für Witze, Ratgebertexte und YouTube-Videos. Jetzt, in der Krise, zeigt sich ihr zerstörerischer Charakter.

  • Wer, bitte, denkt sich so etwas aus? Ladenbesitzer, die ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, hätten nach dem Öffnungsplan gar keine Zeit, sich um ihre zurückkehrenden Kunden zu kümmern. Sie müssten permanent mit einem Zollstock und einer Excel-Tabelle in der Hand durchs Geschäft rasen, um sich keinen Ärger mit dem Ordnungsamt oder der Polizei einzuhandeln
  • Während sich der staatliche Eifer bei der Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen, beim Schutz von Altenheimen und bei der Bestellung von Schnelltests in Grenzen hält, ist er bei der Ahndung von Regelverstößen in Deutschland so ausgeprägt wie eh und je.
  • Die Lokal- und Regionalmedien sind voll von entsprechenden Berichten. Mal stehen acht Polizisten in der Küche eines Mannes, der mit einem Freund gekocht hat, mal soll ein Sportverein 5000 Euro Strafe zahlen, weil zwei Kinder auf seinem Skatepark unterwegs waren, mal nehmen Beamte die Personalien von Spaziergängerinnen auf, deren Hunde sich zu nahe gekommen sind.
  • Bei näherer Betrachtung sind es aber gar nicht die Macher, die versagen, es sind die Verwalter. Es ist der deutsche Staat, der den Ruf des Landes beschädigt: Statt Probleme aus dem Weg zu räumen, stellt er Regelwerke auf, die selbst zum Problem werden. Made in Germany? Für alles, was der Staat anfasst, gilt: Late in Germany.
  • Was Frau Federle, Amtsärztin aus Tübingen, in der Sendung „Phönix“ über das deutsche Wesen sagte, traf den Nagel auf den Kopf:
    «Wir müssen einfach mal pragmatischer handeln», forderte sie im schönsten schwäbischen Singsang. «Wir bewegen alles x-mal, wir kontrollieren es noch zehnmal, schreiben es dann aus, lassen es noch mal prüfen, ob es überhaupt so schon geprüft ist, und haben dann noch irgendwelche rechtlichen Bedenken. Und das ist in der Krise vollkommen falsch.»
  • Solche Worte gehören eingerahmt in jede Amtsstube, angefangen beim Kanzleramt.

Keine Kommentare: