Warten wir doch, bis der Klimahype abgeklungen ist
Von Stefan Aust 02.06.2019 (WELT)
Der Wirbel rund um die Erderwärmung ist völlig übertrieben. Dabei
spielen sich die Deutschen wieder Mal als selbst ernanntes Vorbild für alle
auf.
Bald wird eine andere Sau durchs Dorf gejagt. Warum die Welt
einfach nicht untergeht.
Vor uns die Sintflut! Dürre in Deutschland! Tornados! Der Tipping
Point naht, dann geht die Welt unter! Die von Greta Thunberg geforderte Panik
ist voll ausgebrochen, vor allem unter Deutschlands Politikern.
Nach dem Volksparteien-Desaster der Europawahl ist Selbstgeißelung
angesagt. Schuld ist das Klima unter den Wählern, die offenbar nur noch ein
einziges Thema kennen: das Klima.
Alle Parteien der linken Mitte haben den Klimaschutz ins Zentrum
der Probleme gestellt - aber nur die Grünen haben davon profitiert. Grün ist
bekanntlich die Hoffnung, und die Hoffnung ist gepaart mit der Angst, am
liebsten der vor der Apokalypse. Und die heißt: zwei Grad und hängt ab vom CO2,
das die Menschen mithilfe von Kohlekraftwerken, Autos und Kühen in die Luft
pusten.
Das nennt sich "anthropogener Klimawandel", die durch
Menschen verursachte globale Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung.
Angeblich sind sich zwischen 97 und 99,5 Prozent aller Wissenschaftler einig,
dass die Klimakatastrophe menschengemacht ist. Wer diese unumstößlichen
Tatsachen der Computermodelle anzweifelt, ist ein Klimaleugner, entweder nur
dumm oder in fragwürdiger politischer Gesellschaft.
Wie die vergangenen Wärmeperioden zur Zeit der Römischen Reiches
(um das Jahr null herum) und der Zeit der Besiedelung Grönlands durch die
Wikinger (um das Jahr 1000 herum) zustande gekommen sind, ohne dass es
Kohlekraftwerke und Diesel-Autos gegeben hat, bleibt dabei eher unklar. Auch
die aus Bohrkernen im Alteis der Arktis und Antarktis ableitbare Beziehung
zwischen CO2-Gehalt der Atmosphäre und den jeweils herrschenden Temperaturen
hilft kaum weiter: Immer liegen nämlich die Erwärmungen vor dem CO2-Anstieg und
nicht umgekehrt.
Das ist auch kein Wunder, denn kalte Ozeane speichern mehr CO2 als
warme. In der Regel liegen ein paar Hundert Jahre zwischen Erwärmung und
CO2-Anstieg.
Aber wir wollen den Potsdamer Klima-Gurus und allen ihren
Followern ihre Apokalypse nicht schlechtreden. Wenn die Klimapanik dazu führt,
dass weniger fossile Brennstoffe verbrannt werden, ist das ja gut - die sind
schließlich endlich; bei jetziger Verbrauchsmenge reichen sie nur noch ein
paar Hundert Jahre. Da ist Sparen angesagt, bis dann in den nächsten Jahrzehnten wirkliche Alternativen wie Fusionsenergie oder inhärent sichere Kernreaktoren entwickelt werden können.
paar Hundert Jahre. Da ist Sparen angesagt, bis dann in den nächsten Jahrzehnten wirkliche Alternativen wie Fusionsenergie oder inhärent sichere Kernreaktoren entwickelt werden können.
Es ist ja bekanntlich besser, aus den falschen Gründen das
Richtige zu tun als aus den richtigen Gründen das Falsche. Wobei wir bei den
Maßnahmen wären, den Klimawandel zu stoppen. Irgendwann, vielleicht schon bald,
wird man über den Windkraftwahn der Deutschen lachen - wenn auch nicht in
Deutschland. Es dürfte - von Kriegen abgesehen - das teuerste und nutzloseste
Investitionsprogramm aller Zeiten sein.
Solar und Windenergie liefern nur circa ein Prozent der globalen
Energieversorgung und werden, obwohl Sonne und Wind kostenlos zur Verfügung
stehen, pro Jahr mit 129 Milliarden Dollar subventioniert. In Deutschland
schaffen knapp 30.000 Windräder gerade einmal 3,1 Prozent des
Primärenergieverbrauches zu decken.
Die Windräder, im Durchschnitt etwa eines auf zwölf
Quadratkilometern Bodenfläche in Deutschland, sind vor allem rotierende
Kirchtürme des Glaubens an die jetzige Form der Energiewende. Ihre Effektivität
ist alles in allem eher dürftig.
Solar leidet vor allem nachts daran, dass die Sonne nicht scheint.
Energiegewinnung aus Biomasse führt zu Maisfeldern bis zum Horizont, getränkt
in Gülle. Aber dafür steigen wir vorbildlich aus der Kernenergie, der Kohle und
der Braunkohle aus. Wenn der Strom knapp wird, kaufen wir bei den weniger sauberen
Nachbarn ein. So ist die Energiewende wenigstens eines: verlogen bis zum
Geht-nicht-mehr.
Dass die Bürger ohne Murren bereit sind, die höchsten Strompreise
Europas zu zahlen, ist das wirkliche Wunder der Wende. Offenbar merken sie
nicht, welche Subventionsmonster sie damit am Leben halten. Mit der
Klimabedrohung lässt sich nämlich gut Geld verdienen, von den
Windpark-Investoren bis zum Handel mit Klima-Zertifikaten.
Auch Spenden für Organisationen von Klima-Aktivisten wie etwa des
schwedischen Greta-Entdeckers Ingmar Rentzhog sind ein gutes Geschäftsmodell
des modernen Ablasshandels. Auf seiner Plattform "We don't have time"
sollen sich, so der Gründer, "Millionen von Mitgliedern zusammentun, um
Druck auf Leader, Politiker und Unternehmen auszuüben, um für das Klima zu
agieren".
Er wolle ein Netzwerk mit 100 Millionen Usern aufbauen, finanziert
durch Anzeigen klimafreundlicher Unternehmen, wie er gegenüber einer
Finanzzeitung erklärte. Die Anschubfinanzierung des Start-ups mit rund einer
Million Aktienkapital durch Investoren erfolgte u. a. durch Werbung mit Greta
Thunberg - angeblich ohne Wissen ihrer Eltern.
Vielleicht ist die Kenntnis über das Umfeld Greta Thunbergs in
Schweden ein Grund dafür, dass die dortigen Grünen bei der Europawahl ziemlich
schwach abschnitten. In Deutschland hat sie den Status einer Heiligen, so wie
die Deutschen ja ohnehin anfällig für humanitäre Schaunummern sind. Vom
"Refugees Welcome" des Septembers 2015 bis zum "Greta-Hype"
des Frühjahrs 2019 zieht sich ein moralischer Bogen: die Deutschen als selbst
ernanntes Vorbild für die Welt.
Irgendwie hatte der österreichische Schriftsteller Franz Werfel im
amerikanischen Exil einen guten Instinkt, als er in seinem Science-Fiction
Roman "Stern der Ungeborenen" (erschienen 1946) schrieb:
"Zwischen Weltkrieg Zwei und Drei drängten sich die Deutschen
an die Spitze der Humanität und Allgüte. Der Gebrauch des Wortes
,Humanitätsduselei' kostete achtundvierzig Stunden Arrest oder eine
entsprechend hohe
Geldsumme.
Geldsumme.
Die Deutschen und die Sucht, beliebt zu sein
Die meisten der Deutschen nahmen auch, was sie unter Humanität und
Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach
gelechzt, beliebt zu sein. Humanität und Güte erschienen Ihnen jetzt der beste
Weg zu diesem Ziel. Sie fanden ihn sogar weit bequemer als Heroismus und
Rassenlehre... Sie waren die Erfinder der undankbaren Ethik der 'selbstlosen
Zudringlichkeit'.
Zur Erholung hielten die Gebildeten unter den Heinzelmännchen
philosophische Vorträge an Volkshochschulen, in protestantischen Kirchen und
sogar in Reformsynagogen, wobei ihr eintöniges Thema stets der brüderlichen
Pflicht des Menschen gewidmet war.
Ohne Pflicht ging's nicht, wie ja die deutsche Grundauffassung vom
Leben in der 'Anbetung des Unangenehmen' bestand. Sie waren, mit einem Wort,
echte Schafe im Schafspelz. Da sie aber selbst dies krampfhaft waren, glaubte
es ihnen niemand, und man hielt sie für Wölfe."
Und wenn der Klima-Hype abgeklungen ist, wird sich ein anderes
Thema finden, mit dem man die Welt retten kann - oder wenigstens so tun als ob.
Stefan Aust
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